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Samstag, 28. April 2012

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nacherzählt von Johannes Kayser

Anfangs ganz nett beginnt der Parzival ähnlich wie Grimmelshausens Simplicissimus: Ein junger Mann, der nichts von seiner "edlen" Herkunft ahnt, zieht als Narr in die Welt und mausert sich als Held. Anders als beim Simplicissimus ist beim Parzival schon sehr bald das Ende im Gelände erreicht, was frische Ideen angeht: Das Epos ergeht sich stattdessen in ewigen Wiederholungen. In einer Endlosschleife trifft Parzival holde, noch holdere und unglaublich holde Jungfrauen, schenkt ihnen seine "Gunst" (!) und reitet aus, um für diese Abenteuer zu bestehen. Dass er dabei am Ende mehrfach verheiratet ist, zahlreiche Bastarde und eheliche Kinder gezeugt hat (um die er sich nicht kümmert) und schließlich viele Unschuldige aus Versehen (heute würde man sagen: aus unüberlegtem Handeln) abgemurkst hat, spielt für seine Heldenkumpels und in der mittelalterlichen Ethik scheinbar keine Rolle. Aber was am Anfang vielleicht noch drollig wirkte, gerät nach ein paar Seiten schnell zu einer nervtötenden Story. Und immer wieder stürmt Parzival los wie ein hormongesteuerter Zuchtbulle. War das früher alles, was einen Mann ausmachte? Ich glaube nicht.

Fazit: Eine Art Jean-Claude Van Damme des Mittelalters. Hirn aus und drauflos kloppen... Tut mir leid, Wolfram, aber ich finde nicht alles gut, nur weil's ein Stück Kulturgut ist.

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nacherzählt von Johannes Kayser. Berlin und Leipzig: Hermann Hillger, o. J., 31 S.

Dienstag, 24. April 2012

Thomas C. Reeves: John F. Kennedy

Es ist eine sehr fundierte Biographie, die Thomas C. Reeves da abliefert, denn von den fast siebenhundert Seiten sind schon fast einhundert von den Quellenangaben belegt.
Der Untertitel ist Programm: Reeves demontiert das Image des Helden, den Mythos, der seit Dallas den ewig jungen Kennedy umwebt. Anhand unzähliger Zeugenaussagen, Zeitungsartikel, Biographien und Fachliteratur sowie Unmengen interner Regierungsdokumente zerlegt er den Spross des Kennedy-Clans in seine weniger beeindruckenden Bestandteile: seine Krankheiten, seine sexuellen Ausschweifungen, den Kontrast des privaten Kennedy im Vergleich zur Selbstdarstellung in den Medien und - mithin von zentraler Bedeutung - den Einfluss des Vaters, des Partiarchen und Multimillionärs Joseph P. Kennedy, auf die Karriere seines Sohnes. Daraus enspringt ein Bild von JFK, das sich so gar nicht mit der heute immer noch dominierenden Darstellung des ermordeten Präsidenten vertragen will, ein Bild, dass im Gegensatz zu ebenjener Darstellung wie bereits gesagt sehr fundiert ist und in seinen Folgerungen sehr schlüssig.
Doch nicht alles ist positiv an diesem Werk: Einerseits nerven die ständigen Wiederholungen nach einer Weile (ist eben ein amerikanisches Sachbuch), andererseits ist die Übersetzung von Anni Pott eine gnadenlose und dreiste Misshandlung der Sprache. Nicht nur, dass sich zahlreiche Übersetzungsfehler eingeschlichen hätten; auch die Syntax ist im Deutschen kaum zu entwirren. Vermutlich hielt sich Frau Pott zu sehr an den Urtext. Was im Amerikanischen aber lesbar ist, muss es nicht zwangsläufig auch im Deutschen sein. Frau Pott, hin und wieder empfehle ich dringend, den Satzbau umzustellen! Auch ein "." (Punkt) an den richtigen Stellen erntet dankbare Leser, während Ihre durchschnittlich 15 Kommata pro Satz (unübertrieben, leider auch an grundsätzlich falschen Stellen) das Lesen zu einer Qual werden lassen. Ich rate Ihnen dringend (so sehr Sie auch des Amerikanischen mächtig sind) einen Grundkurs in Deutscher Sprache zu absolvieren. Das wäre das Mindeste, was man von einem Übersetzer erwarten darf.


Fazit: Abzüge gibt es für Wiederholungen und Übersetzung, macht:

Thomas C. Reeves: John F. Kennedy. Die Entzauberung eines Mythos. Biographie (orig.: A Question Of Character. A Life of John F. Kennedy). Aus dem Amerikanischen von Anni Pott. Hamburg: Ernst Kabel, 1992. 655 S.