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Mittwoch, 9. Juni 2010

Denis Diderot: Jakob und sein Herr


Jakob und sein Herr sind ein absolut ungleiches Paar. Jakob, wie der französische Originaltitel schon verrät (Jacques le fataliste et son maître) ist Fatalist und vertritt damit die unausweichliche Vorherbestimmung aller Ereignisse aufgrund naturgegebener Gesetzmäßigkeiten. Sein Herr dagegen ist Verfechter eines freien Willens. Diderot karikiert diese Ansichten, indem er seine Protagonisten genau entgegengesetzt zu ihren Überzeugungen handeln lässt: Jakob ist ein aktiver, stürmischer Bursche, sein Herr aber ein antriebsloser Trottel, der sich mit den eintretenden Verhängnissen abfindet, anstatt ihnen entgegenzutreten.
Die eigentliche Handlung ist schwierig zusammenzufassen. Im Prinzip befinden sich Beide auf einer Reise, deren Ziel und Zweck der Leser niemals erfährt. Das Konstrukt besteht aus den Dialogen der beiden Reisenden, unterbrochen von Erzählungen Jakobs, die von seiner Liebe zu einer gewissen Denise handeln. Das Ganze hat keinen Anfang und kein Ende, wird von zahlreichen Anekdoten und Eingriffen des Erzählers unterbrochen, der sich auch schon einmal direkt mit dem Leser zofft - ist jedoch, auch wenn stellenweise langatmig, sehr vergnüglich zu lesen. Diderot ist ein gerissener Autor, die Erzählung gespickt mit zahlreichen Anspielungen auf verschiedenste andere Werke und philosophische Konstrukte.

Fazit: Selten so etwas Verücktes, Freches und Witziges gelesen!


Denis Diderot: Jakob und sein Herr (orig.: Jacques le fataliste et son maître). Aus dem Französischen von Walter Widmer. In: Denis Diderot: Die Nonne. Jakob und sein Herr. Mit einem Nachwort von Erhard Schwabe (= Meisterwerke des französischen Romans). Lausanne: Editions Rencontre o. J.

Dienstag, 8. Juni 2010

Voltaire: Candide oder der Optimismus


Candide ist eine einzige derbe Satire auf die Leibniz´sche Theodizee, die die Welt, in der wir leben, ungeachtet allen Übels, als die beste aller möglichen Welten postuliert. Die Hauptfigur, Candide, wächst in einem Schloss bei Minden in Westfalen auf. Es geht ihm sehr gut, und nach Meinung seines hochbegabten Lehrers Pangloss hat er es bestens getroffen, denn er lebt ja (und hier kommt die Theodizee in´s Spiel, bzw. deren Verulkung) in der besten aller möglichen Behausungen. Als er allerdings mit der Tochter des Schlosseigentümers hinter einem Wandschirm entdeckt wird, ist es aus mit dem Paradies.
Es beginnt nun eine Odyssee, die sich zu einer einzigen Negativspirale auswächst. Doch Candide, wie der Titel schon sagt, verliert in seiner heiligen Einfalt nie den Mut und bleibt Optimist. Es hat ja alles seine Ursache und Wirkung und immerhin lebt er noch in der besten aller möglichen Welten.

Fazit: Ein unglaublich witziges, feinsinniges, bissiges satirisches Werk. Man spürt förmlich den Autor hinter den Zeilen glühen vor Wut auf die von der Kirche gestreute Einfalt. Muss!

Voltaire: Candide oder der Optimismus (orig. Candide ou l'Optimisme). Aus dem Französischen von Stephan Hermlin. Mit einem Nachwort von Ingrid Peter. Zürich: Diogenes 1991.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Denis Diderot: Die Nonne


Diderot war seiner Zeit voraus. Ein ungeheuer talentierter Bursche, aufgeklärt und weitsichtig. Mit "Die Nonne" liefert er einen einfühlsamen Roman ab, der nicht nur voller Emotionen steckt und selbst bei Toten Empathie auslösen müsste. Gleichzeitig handelt es sich hier um die Anprangerung von unhaltbaren Zuständen in französischen Nonnenklöstern.
Unter dem scheinheiligen Deckmantel der abgeschotteten Gottgewidmetheit zerbröckeln die keuschen Vorsätze der Schwestern. Tyrannei und Hierarchie, Pflicht, Buße und Peinigung bestimmen das kärgliche Tagein-Tagaus. Diderot zeichnet das bewegende Schicksal eines jungen Mädchens, dass gegen ihren eigenen Willen als Novizin in das seelenbrechende Klosterleben eingeführt wird und legt besonderen Wert auf die Unterstreichung des Widernatürlichen, Menschenverachtenden am Klosterleben.


Fazit: Die Abgründe des Klosterlebens - hochspannend, intelligent und trotzdem herzerweichend.

Denis Diderot: Die Nonne (orig.: La religieuse). Bearbeitung einer anonymen Übersetzung aus dem Jahre 1797. In: ders.: Die Nonne. Jakob und sein Herr. Mit einem Nachwort von Erhard Schwabe (= Meisterwerke des französischen Romans). Lausanne: Editions Rencontre o. J.