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Freitag, 6. Mai 2011

Anonymus: Mit aller Macht (Primary Colors)

Unter dem Pseudonym Anonymus veröffentlichte der US-Amerikanische Journalist Joe Klein dieses Porträt der Vorwahlen zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten, das im Wesentlichen auf dem Wahlkampf Bill Clintons basiert. Es beleuchtet die ehrgeizigen und aufreibenden Machtkämpfe hinter den Kulissen, in denen nicht selten mit ziemlich viel Dreck geworfen wird.
Klein gelingt eine facettenreiche Darstellung der politischen Hintergrundarbeit in den Staaten. Der Leser erfährt, worauf es abseits von allen politischen Inhalten und Idealen wirklich ankommt: Auf Geld, Sympathien und die richtigen Kontakte. Der Kandidat, der von diesen Faktoren die meisten für sich verbuchen kann, macht das Rennen, scheissegal, ob er persönlich ein machtgeiles, perverses Schwein oder ein verklemmter Neurotiker ist.

Fazit: Schon ein Augenöffner, auch wenn mit Vorsicht zu genießen: Der Autor sympathisiert mit den Republikanern. Na gut, das macht in dieser vermurksten Mediendemokratie auch keinen wirklichen Unterschied.

Anonymus: Mit aller Macht. Primary Colors (orig. Primary Colors). Aus dem Englischen von Uda Strätling u. a.. München: List 1996.

Mittwoch, 20. April 2011

Herman Melville: Moby-Dick

Es wird nicht so recht ersichtlich, was der gute Herman eigentlich mit diesem Machwerk bezweckte. Denn Moby-Dick ist von ebenso eigentümlicher Natur, wie sein Schöpfer. Der schwadroniert zunächst über Hunderte von Seiten, preist den Walfang als die höchste aller Erwerbstätigkeiten und ergeht sich in ausschweifenden Sachbeschreibungen der Ausrüstungsgegenstände, der Personen an Bord und schließlich auch der Natur des "Walfischs", wobei dessen Einordnung in die Welt der Fauna einem auf fehlendem Wissen beruhenden Unsinn gleichkommt. Die wild zusammengewürfelten "Auszüge" zeugen nicht gerade von einer wisenschaftlich fundierten Beschäftigung mit dem Sachgegenstand, sind aber eine amüsante Ergänzung, wenn auch reichlich viele ihrer Art.
Der eigentliche Kampf mit dem Wal, auf den der Leser sich mühsam vorarbeitet, ist schnell vorbei, wonach die Erzählung ebenso abrupt endet, wie sie schleichend angefangen hat. Aber was gibt es da auch noch zu sagen?
Nichtsdestotrotz: Moby-Dick ist ungeachtet der Verherrlichung des Walfangs eine interessante Ansammlung historischen Zeitgeschehens und lässt die elende und harte Arbeit auf dem Walfänger lebendig vor unseren Augen erscheinen. Auch wenn seitenlang in Beschreibungen abgeschweift wird, die irgendwann früher oder später auch den zähesten Leser zermürben: Das Buch ist es trotzdem wert, einmal gelesen zu werden. Danach darf man es aber ruhigen Gewissens für immer im Regal stehen lassen.

Fazit: Was macht den Roman aus? Ich kanns beim besten Willen nicht sagen. Aber man sollte ihn gelesen haben.

Herman Melville: Moby-Dick (orig.: Moby-Dick; Or, The Wale). Aus dem Amerikanischen von Thesi Mutzenbecher und Ernst Schnabel. Mit einem Essay von W. Somerset Maugham. Zürich: Diogenes 1977.

Sonntag, 27. März 2011

Julian Barnes: Eine Geschichte der Welt in 10,5 Kapiteln



Julian Barnes vereint in diesem Buch einige Erzählungen, die zwar teilweise Zusammenhänge aufweisen, nicht immer ist dem Leser allerdings klar, wo der Rote Faden zu suchen ist. Naja, eigentlich sogar selten.
Die Geschichten in diesem Band sind von unterschiedlicher Qualität. Schon witzig ist die Darstellung der Sintflut aus der Sicht eines Holzwurms, auch der Gerichtsprozess gegen die Holzwürmer in einer französischen Dorfkirche reizt zum Schenkelklopfen (da wird auch der Zusammenhang ersichtlich: der Holzwurm!).
Oft dreht sich eine Episode auch um den Berg Ararat (damit wieder um die Arche), doch so einige Geschichten passen irgendwie gar nicht in diesen Zusammenhang und sind teilweise auch recht lustlos oder trivial erzählt.

Fazit: Manchmal nett, in der Komposition eher mau. Den übergeordneten Sinn suchte ich vergeblich.


Julian Barnes: Eine Geschichte der Welt in 10,5 Kapiteln (orig.: A History of the World in 10.5 Chapters). Aus dem Englischen von Gertraude Krueger. München: Heyne 1994.

Dienstag, 15. März 2011

Tommy Jaud: Millionär (Hörbuch)


Millionär erzählt von der Suche des aus Vollidiot bekannten Protagonisten Simon Peters nach der Lösung für ein wirklich wichtiges Problem. Der nunmehr arbeitslose Hartz4-Empfänger, der sich mit Beschwerdeanrufen die Zeit vertreibt, möchte die überdrehte Turbo-Trulla Johanna Stähler aus seinem spießigen Mehrparteienwohnhaus verwiesen wissen. Sein Plan: Das Haus kaufen!
Die Sache hat einen Haken: Wie kommt er nur an die benötigte eine Million Euro? Auf einem schrägen Seminar zum Thema Selbstverwirklichung reift ein Plan. Peters wird zum "Beschwer-Adair" und macht sich mit Hilfe seines Internet-Café-Betreibers und einer Online-Beschwerde-Börse selbständig. Ein Plan, der besser funktioniert, als zunächst erwartet...
Einen besseren Sprecher für diese Satire als Christoph Maria Herbst kann ich mir nicht vorstellen - großartig, was der Mann leistet!


Fazit: Jaud trifft den Nerv genau, wenn er Episoden schildert, die uns allen mehr als weniger irgendwie bekannt vorkommen. Christoph Maria Herbst verleiht dem Arrangement zusätzlich die gehörige Würze. Ein einziger Brüller!

Tommy Jaud: Millionär. Gesprochen von Christoph Maria Herbst. Argon 2009.

Montag, 7. März 2011

Isabel Allende: Das Geisterhaus



Diese chilenische Familiensaga lässt die Buddenbrooks im Regen stehen. Wie trivial und nichtssagend erscheint doch ein Thomas Mann im Vergleich zu diesem Teppich von Erzählung!
Über Generationen verfolgt der Leser die Geschichte der Familie Trueba, beziehungsweise del Valle. Das Schicksal dieser Familie ist gewürzt mit Mystik, mit Blut und Liebe, mit Gewalt, Reichtum und Elend. Die politischen Ereignisse im Chile seiner Zeit sind stets auch mit dem Auf und Ab des truebanischen Lebens verknüpft. Die Katastrophe schließlich basiert ebenso auf realen Ereignissen: Der Ermordung des ersten sozialistischen chilenischen Präsidenten Salvador Allende (Onkel der Autorin) durch einen von den USA gesteuerten Militärputsch (Henry Kissinger zeichnete dafür mitverantwortlich - und bekam später den Friedensnobelpreis (!)).
Allendes Stil ist unglaublich vielseitig: Witzig, charmant, blutig, mystisch, spannend,...Der Roman entfaltet auf jeder Seite eine neue Facette von brillantem Ideenreichtum. Als Leser erlebt man Haut an Haut die jüngere Geschichte dieses wunderbaren Landes nach - ihre schönen Seiten und auch die dunklen Episoden. Die Charaktere sind lebendig und wecken Empathie, selbst die schlechten.


Fazit: Warum der Roman ein Weltbestseller wurde, weiß man spätestens, wenn man ihn gelesen hat!

Isabel Allende: Das Geisterhaus (orig.: La casa de los espiritus). Aus dem Spanischen von Anneliese Botond. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Ross Macdonald: Einer lügt immer


Wenig beglückende Detektivstories, die - ich will mich kurz fassen - so durchsichtig wie naiv und langweilig sind. Auch die Charaktere bleiben seltsam blass und unglaubwürdig, die Handlung erschließt sich oft nicht nach logischen Gesichtspunkten, ergo wirken Höhepunkte schrecklich daherkonstruiert. Ein Fazit kann an dieser Stelle entfallen.


Ross Macdonald: Einer lügt immer. Sämtliche Detektivstories um Lew Archer II (orig. My Name is Archer). Aus dem Amerikanischen von Hubert Deymann. Zürich: Diogenes 1983.

Montag, 24. Januar 2011

Anne Tyler: Caleb oder Das Glück aus den Karten


Tylers Roman erzählt von der Suche Daniel Pecks nach seinem seit Jahrzehnten verschollenen Bruder Caleb. Doch eigentlich erzählt das Buch viel mehr davon, warum Caleb überhaupt abgehauen ist (denn das ist er). Und um dies zu verstehen, muss man die Pecks verstehen...
Die Autorin kann eines ganz bestimmt: Charaktere entwerfen. Wir lernen die Familie Peck kennen, als wäre es unsere eigene. Mit all ihren Schrullen, und die sind beträchtlich.

Fazit: Wunderbar ausgearbeitete Charaktere machen diese Erzählung absolut lebendig. Dazu kommt ein feiner Humor, wie er sich nur in einer solchen perfekt inszenierten Personenkonstellation richtig entfalten kann.

Anne Tyler: Caleb oder Das Glück in den Karten (orig. Searching for Caleb). Aus dem Amerikanischen von Günther Danehl. Frankfurt a. M.: Fischer 1988.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Philip Kerr: Esau

Auf der Welle der sogenannten populärwissenschaftlichen Romane reitet nun auch Philip Kerr mit. Der Thriller Esau erzählt von - ja, ich will es ruhig verraten - der Entdeckung des Yetis im Himalaya. So naiv, wie die Idee klingt, ist auch deren Umsetzung: Das Buch hat nicht nur konzeptionelle Schwächen (oft ist der Fortgang der Handlung einfach nur hirnrissig!), auch sprachlich ist die deutsche Übersetzung kein Geniestreich.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Ein (natürlich amerikanischer!) Bergsteiger entdeckt im Annapurna-Gebiet einen seltsamen Schädel. Nachforschungen bei seiner Affäre (zufällig eine versierte Paläoanthropologin, die noch dazu auch noch ein heißes Luder zu sein scheint - wie praktisch!) ergeben, dass dieser Schädel recht jungen Datums ist und auf eine bis dato unbekannte Spezies hinweist. Eine technisch überladene Expedition begibt sich an die Fundstelle - und findet nahezu sofort, was bisher der Wissenschaft entgangen ist: Einen ganzen Haufen seit Jahrtausenden isoliert lebender Yetis. Natürlich passiert, was passieren muss: Es gibt Probleme, weil eines der Expeditionsmitglieder offenbar dunkle Ziele verfolgt. Es gibt einen Kampf, bei dem am Ende die Guten gewinnen und die Einsicht siegt, dass die Entdeckung doch lieber geheim gehalten werden sollte - zum Schutze der Spezies. Schnulz!
Kerr unterschätzt hier den wissenschaftlichen Ehrgeiz und die monetären Interessen solcher Forscher, zugunsten einer sülzigen Gutmenschenfaselauflösung, die ebenso unglaubwürdig bleibt, wie die gesamte Erzählung.

Fazit: Stellenweise mäßig spannend, aber nicht mehr. Plot: Naiv ist noch nett umschrieben!


Philip Kerr: Esau (orig.: Esau). Aus dem Englischen von Peter Weber-Schäfer. Reinbek bei Hamburg: Wunderlich 1997.