zurück zum Start:

gelesenes von addi. anderes hier: addis seite!

Dienstag, 24. April 2012

Thomas C. Reeves: John F. Kennedy

Es ist eine sehr fundierte Biographie, die Thomas C. Reeves da abliefert, denn von den fast siebenhundert Seiten sind schon fast einhundert von den Quellenangaben belegt.
Der Untertitel ist Programm: Reeves demontiert das Image des Helden, den Mythos, der seit Dallas den ewig jungen Kennedy umwebt. Anhand unzähliger Zeugenaussagen, Zeitungsartikel, Biographien und Fachliteratur sowie Unmengen interner Regierungsdokumente zerlegt er den Spross des Kennedy-Clans in seine weniger beeindruckenden Bestandteile: seine Krankheiten, seine sexuellen Ausschweifungen, den Kontrast des privaten Kennedy im Vergleich zur Selbstdarstellung in den Medien und - mithin von zentraler Bedeutung - den Einfluss des Vaters, des Partiarchen und Multimillionärs Joseph P. Kennedy, auf die Karriere seines Sohnes. Daraus enspringt ein Bild von JFK, das sich so gar nicht mit der heute immer noch dominierenden Darstellung des ermordeten Präsidenten vertragen will, ein Bild, dass im Gegensatz zu ebenjener Darstellung wie bereits gesagt sehr fundiert ist und in seinen Folgerungen sehr schlüssig.
Doch nicht alles ist positiv an diesem Werk: Einerseits nerven die ständigen Wiederholungen nach einer Weile (ist eben ein amerikanisches Sachbuch), andererseits ist die Übersetzung von Anni Pott eine gnadenlose und dreiste Misshandlung der Sprache. Nicht nur, dass sich zahlreiche Übersetzungsfehler eingeschlichen hätten; auch die Syntax ist im Deutschen kaum zu entwirren. Vermutlich hielt sich Frau Pott zu sehr an den Urtext. Was im Amerikanischen aber lesbar ist, muss es nicht zwangsläufig auch im Deutschen sein. Frau Pott, hin und wieder empfehle ich dringend, den Satzbau umzustellen! Auch ein "." (Punkt) an den richtigen Stellen erntet dankbare Leser, während Ihre durchschnittlich 15 Kommata pro Satz (unübertrieben, leider auch an grundsätzlich falschen Stellen) das Lesen zu einer Qual werden lassen. Ich rate Ihnen dringend (so sehr Sie auch des Amerikanischen mächtig sind) einen Grundkurs in Deutscher Sprache zu absolvieren. Das wäre das Mindeste, was man von einem Übersetzer erwarten darf.


Fazit: Abzüge gibt es für Wiederholungen und Übersetzung, macht:

Thomas C. Reeves: John F. Kennedy. Die Entzauberung eines Mythos. Biographie (orig.: A Question Of Character. A Life of John F. Kennedy). Aus dem Amerikanischen von Anni Pott. Hamburg: Ernst Kabel, 1992. 655 S.

Freitag, 30. März 2012

Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Der erste Beernhäuter

Ein echter Grimmelshausen! Typisch für ihn: Veröffentlicht unter einem Alias. So heißt der offizielle Autor hier "Illiteratio Ignorantio, zugenannt Idiota", ein derber Scherz, den Grimmelshausen sich auf Kosten der gelehrten Welt seiner Zeit erlaubt. In diesem Sinne definiert er sein humoristisches Märchen auch als ein etymologisches Werk, welches "nicht ohne sonderbare darunter verborgene Lehrreiche Geheimniß" die Herkunft des Schimpfwortes "Bärenhäuter" zu erklären vorgibt. Der Mode seiner Zeit folgend, ergießt sich der Untertitel dieser Kurzgeschichte über mehrere Zeilen, die ich hier nicht vorenthalten möchte, da sie bezeichnend sind:


Der Erste Beernhäuter
Nicht ohne sonderbare darunter
verborgene Lehrreiche Geheim-
niß / sowol allen denen / die so zu
schelten pflegen und sich so schelten
lassen / als auch sonst jedermann
(vor dißmal zwar nur vom Ur-
sprung dieses schönen Ehren-Ti-
tuls) andern zum Exempel vorge-
stellet von Illiteratio Ignorantio,
zugenannt Idiota.

Tatsächlich ist dieses Werk(chen) alles andere, als ein ernsthaftes und lehrreiches Werk. Vielmehr ist es eine "wissenschaftlich" verpackte Aufzeichnung eines witzigen Märchens aus dem Volksmund. Aber gerade das macht hier, zusammen mit der ausgefeilten und wortgewandten Erzählkunst von Grimmelshausens, den Reiz aus.

Fazit: Gratuliere, volle Punktzahl!

(Jacob Christoffel von Grimmelshausen:) Der erste Beernhäuter. Mit Bildern von Marcus Behmer und einem Nachwort von Manuel Schnitzer. Insel-Bücherei, o. J., n. pag.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Fjodor Dostojewskij: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Eigentlich unter dem Titel "Schuld und Sühne" bekannt ist dieses wohl bedeutendste Werk des russischen Schriftstellers Dostojewskij. Darin geht es um einen jungen (Ex-)Studenten, der mit der Axt "eine alte Wucherin" auslöscht. Allerdings hat diese Tat dann ein Nachspiel: Der Mörder hadert lange mit sich selbst, bis ihn sein Gewissen und seine Skrupel schließlich zwingen, sich der Gerichtsbarkeit auszuliefern und seine Strafe auf sich zu nehmen.

Ein durchaus interessanter Roman, der vieles über die russische Welt preisgibt. Allerdings ist er auch sehr langatmig und daher wohl nicht jedermanns Sache. Tatsächlich ist die Schwermütigkeit der Hauptperson für meinen Geschmack über 745 Seiten kaum zu ertragen.

Ach ja, eins noch: Lieber Verlag!!! Bitte keine Endnoten mehr bei dicken Wälzern! Dieses ständige nervenaufreibende Blättern! Schonmal was von Fußnoten gehört? Ja? Danke, dann für nächstes Mal!

Fazit: Eigentlich gelungen, aber hätte wirklich auch kürzer sein können.

Fjodor Dostojewskij: Verbrechen und Strafe. Roman. Aus dem Russischen neu übersetzt von Swetlana Geier. Frankfurt am Main: Fischer, 1996. 766 S.

Freitag, 6. Mai 2011

Anonymus: Mit aller Macht (Primary Colors)

Unter dem Pseudonym Anonymus veröffentlichte der US-Amerikanische Journalist Joe Klein dieses Porträt der Vorwahlen zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten, das im Wesentlichen auf dem Wahlkampf Bill Clintons basiert. Es beleuchtet die ehrgeizigen und aufreibenden Machtkämpfe hinter den Kulissen, in denen nicht selten mit ziemlich viel Dreck geworfen wird.
Klein gelingt eine facettenreiche Darstellung der politischen Hintergrundarbeit in den Staaten. Der Leser erfährt, worauf es abseits von allen politischen Inhalten und Idealen wirklich ankommt: Auf Geld, Sympathien und die richtigen Kontakte. Der Kandidat, der von diesen Faktoren die meisten für sich verbuchen kann, macht das Rennen, scheissegal, ob er persönlich ein machtgeiles, perverses Schwein oder ein verklemmter Neurotiker ist.

Fazit: Schon ein Augenöffner, auch wenn mit Vorsicht zu genießen: Der Autor sympathisiert mit den Republikanern. Na gut, das macht in dieser vermurksten Mediendemokratie auch keinen wirklichen Unterschied.

Anonymus: Mit aller Macht. Primary Colors (orig. Primary Colors). Aus dem Englischen von Uda Strätling u. a.. München: List 1996.

Mittwoch, 20. April 2011

Herman Melville: Moby-Dick

Es wird nicht so recht ersichtlich, was der gute Herman eigentlich mit diesem Machwerk bezweckte. Denn Moby-Dick ist von ebenso eigentümlicher Natur, wie sein Schöpfer. Der schwadroniert zunächst über Hunderte von Seiten, preist den Walfang als die höchste aller Erwerbstätigkeiten und ergeht sich in ausschweifenden Sachbeschreibungen der Ausrüstungsgegenstände, der Personen an Bord und schließlich auch der Natur des "Walfischs", wobei dessen Einordnung in die Welt der Fauna einem auf fehlendem Wissen beruhenden Unsinn gleichkommt. Die wild zusammengewürfelten "Auszüge" zeugen nicht gerade von einer wisenschaftlich fundierten Beschäftigung mit dem Sachgegenstand, sind aber eine amüsante Ergänzung, wenn auch reichlich viele ihrer Art.
Der eigentliche Kampf mit dem Wal, auf den der Leser sich mühsam vorarbeitet, ist schnell vorbei, wonach die Erzählung ebenso abrupt endet, wie sie schleichend angefangen hat. Aber was gibt es da auch noch zu sagen?
Nichtsdestotrotz: Moby-Dick ist ungeachtet der Verherrlichung des Walfangs eine interessante Ansammlung historischen Zeitgeschehens und lässt die elende und harte Arbeit auf dem Walfänger lebendig vor unseren Augen erscheinen. Auch wenn seitenlang in Beschreibungen abgeschweift wird, die irgendwann früher oder später auch den zähesten Leser zermürben: Das Buch ist es trotzdem wert, einmal gelesen zu werden. Danach darf man es aber ruhigen Gewissens für immer im Regal stehen lassen.

Fazit: Was macht den Roman aus? Ich kanns beim besten Willen nicht sagen. Aber man sollte ihn gelesen haben.

Herman Melville: Moby-Dick (orig.: Moby-Dick; Or, The Wale). Aus dem Amerikanischen von Thesi Mutzenbecher und Ernst Schnabel. Mit einem Essay von W. Somerset Maugham. Zürich: Diogenes 1977.

Sonntag, 27. März 2011

Julian Barnes: Eine Geschichte der Welt in 10,5 Kapiteln



Julian Barnes vereint in diesem Buch einige Erzählungen, die zwar teilweise Zusammenhänge aufweisen, nicht immer ist dem Leser allerdings klar, wo der Rote Faden zu suchen ist. Naja, eigentlich sogar selten.
Die Geschichten in diesem Band sind von unterschiedlicher Qualität. Schon witzig ist die Darstellung der Sintflut aus der Sicht eines Holzwurms, auch der Gerichtsprozess gegen die Holzwürmer in einer französischen Dorfkirche reizt zum Schenkelklopfen (da wird auch der Zusammenhang ersichtlich: der Holzwurm!).
Oft dreht sich eine Episode auch um den Berg Ararat (damit wieder um die Arche), doch so einige Geschichten passen irgendwie gar nicht in diesen Zusammenhang und sind teilweise auch recht lustlos oder trivial erzählt.

Fazit: Manchmal nett, in der Komposition eher mau. Den übergeordneten Sinn suchte ich vergeblich.


Julian Barnes: Eine Geschichte der Welt in 10,5 Kapiteln (orig.: A History of the World in 10.5 Chapters). Aus dem Englischen von Gertraude Krueger. München: Heyne 1994.

Dienstag, 15. März 2011

Tommy Jaud: Millionär (Hörbuch)


Millionär erzählt von der Suche des aus Vollidiot bekannten Protagonisten Simon Peters nach der Lösung für ein wirklich wichtiges Problem. Der nunmehr arbeitslose Hartz4-Empfänger, der sich mit Beschwerdeanrufen die Zeit vertreibt, möchte die überdrehte Turbo-Trulla Johanna Stähler aus seinem spießigen Mehrparteienwohnhaus verwiesen wissen. Sein Plan: Das Haus kaufen!
Die Sache hat einen Haken: Wie kommt er nur an die benötigte eine Million Euro? Auf einem schrägen Seminar zum Thema Selbstverwirklichung reift ein Plan. Peters wird zum "Beschwer-Adair" und macht sich mit Hilfe seines Internet-Café-Betreibers und einer Online-Beschwerde-Börse selbständig. Ein Plan, der besser funktioniert, als zunächst erwartet...
Einen besseren Sprecher für diese Satire als Christoph Maria Herbst kann ich mir nicht vorstellen - großartig, was der Mann leistet!


Fazit: Jaud trifft den Nerv genau, wenn er Episoden schildert, die uns allen mehr als weniger irgendwie bekannt vorkommen. Christoph Maria Herbst verleiht dem Arrangement zusätzlich die gehörige Würze. Ein einziger Brüller!

Tommy Jaud: Millionär. Gesprochen von Christoph Maria Herbst. Argon 2009.

Montag, 7. März 2011

Isabel Allende: Das Geisterhaus



Diese chilenische Familiensaga lässt die Buddenbrooks im Regen stehen. Wie trivial und nichtssagend erscheint doch ein Thomas Mann im Vergleich zu diesem Teppich von Erzählung!
Über Generationen verfolgt der Leser die Geschichte der Familie Trueba, beziehungsweise del Valle. Das Schicksal dieser Familie ist gewürzt mit Mystik, mit Blut und Liebe, mit Gewalt, Reichtum und Elend. Die politischen Ereignisse im Chile seiner Zeit sind stets auch mit dem Auf und Ab des truebanischen Lebens verknüpft. Die Katastrophe schließlich basiert ebenso auf realen Ereignissen: Der Ermordung des ersten sozialistischen chilenischen Präsidenten Salvador Allende (Onkel der Autorin) durch einen von den USA gesteuerten Militärputsch (Henry Kissinger zeichnete dafür mitverantwortlich - und bekam später den Friedensnobelpreis (!)).
Allendes Stil ist unglaublich vielseitig: Witzig, charmant, blutig, mystisch, spannend,...Der Roman entfaltet auf jeder Seite eine neue Facette von brillantem Ideenreichtum. Als Leser erlebt man Haut an Haut die jüngere Geschichte dieses wunderbaren Landes nach - ihre schönen Seiten und auch die dunklen Episoden. Die Charaktere sind lebendig und wecken Empathie, selbst die schlechten.


Fazit: Warum der Roman ein Weltbestseller wurde, weiß man spätestens, wenn man ihn gelesen hat!

Isabel Allende: Das Geisterhaus (orig.: La casa de los espiritus). Aus dem Spanischen von Anneliese Botond. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1989.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Ross Macdonald: Einer lügt immer


Wenig beglückende Detektivstories, die - ich will mich kurz fassen - so durchsichtig wie naiv und langweilig sind. Auch die Charaktere bleiben seltsam blass und unglaubwürdig, die Handlung erschließt sich oft nicht nach logischen Gesichtspunkten, ergo wirken Höhepunkte schrecklich daherkonstruiert. Ein Fazit kann an dieser Stelle entfallen.


Ross Macdonald: Einer lügt immer. Sämtliche Detektivstories um Lew Archer II (orig. My Name is Archer). Aus dem Amerikanischen von Hubert Deymann. Zürich: Diogenes 1983.

Montag, 24. Januar 2011

Anne Tyler: Caleb oder Das Glück aus den Karten


Tylers Roman erzählt von der Suche Daniel Pecks nach seinem seit Jahrzehnten verschollenen Bruder Caleb. Doch eigentlich erzählt das Buch viel mehr davon, warum Caleb überhaupt abgehauen ist (denn das ist er). Und um dies zu verstehen, muss man die Pecks verstehen...
Die Autorin kann eines ganz bestimmt: Charaktere entwerfen. Wir lernen die Familie Peck kennen, als wäre es unsere eigene. Mit all ihren Schrullen, und die sind beträchtlich.

Fazit: Wunderbar ausgearbeitete Charaktere machen diese Erzählung absolut lebendig. Dazu kommt ein feiner Humor, wie er sich nur in einer solchen perfekt inszenierten Personenkonstellation richtig entfalten kann.

Anne Tyler: Caleb oder Das Glück in den Karten (orig. Searching for Caleb). Aus dem Amerikanischen von Günther Danehl. Frankfurt a. M.: Fischer 1988.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Philip Kerr: Esau

Auf der Welle der sogenannten populärwissenschaftlichen Romane reitet nun auch Philip Kerr mit. Der Thriller Esau erzählt von - ja, ich will es ruhig verraten - der Entdeckung des Yetis im Himalaya. So naiv, wie die Idee klingt, ist auch deren Umsetzung: Das Buch hat nicht nur konzeptionelle Schwächen (oft ist der Fortgang der Handlung einfach nur hirnrissig!), auch sprachlich ist die deutsche Übersetzung kein Geniestreich.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Ein (natürlich amerikanischer!) Bergsteiger entdeckt im Annapurna-Gebiet einen seltsamen Schädel. Nachforschungen bei seiner Affäre (zufällig eine versierte Paläoanthropologin, die noch dazu auch noch ein heißes Luder zu sein scheint - wie praktisch!) ergeben, dass dieser Schädel recht jungen Datums ist und auf eine bis dato unbekannte Spezies hinweist. Eine technisch überladene Expedition begibt sich an die Fundstelle - und findet nahezu sofort, was bisher der Wissenschaft entgangen ist: Einen ganzen Haufen seit Jahrtausenden isoliert lebender Yetis. Natürlich passiert, was passieren muss: Es gibt Probleme, weil eines der Expeditionsmitglieder offenbar dunkle Ziele verfolgt. Es gibt einen Kampf, bei dem am Ende die Guten gewinnen und die Einsicht siegt, dass die Entdeckung doch lieber geheim gehalten werden sollte - zum Schutze der Spezies. Schnulz!
Kerr unterschätzt hier den wissenschaftlichen Ehrgeiz und die monetären Interessen solcher Forscher, zugunsten einer sülzigen Gutmenschenfaselauflösung, die ebenso unglaubwürdig bleibt, wie die gesamte Erzählung.

Fazit: Stellenweise mäßig spannend, aber nicht mehr. Plot: Naiv ist noch nett umschrieben!


Philip Kerr: Esau (orig.: Esau). Aus dem Englischen von Peter Weber-Schäfer. Reinbek bei Hamburg: Wunderlich 1997.

Samstag, 18. Dezember 2010

Mario Vargas Llosa: Lob der Stiefmutter

Soll ein erotischer Roman sein... hm, nun ja. Für den Autor vielleicht. Knistern tat es bei der Lektüre nicht gerade, besonders dann nicht, wenn Vargas Llosa ausgiebig die Toilettengänge des Hausherren, seine analen Gefühle beim Stuhlgang sowie die anschließenden Reinigungsprozeduren beschreibt - Bereiche also, die auch schon vor Roches Feuchtgebiete angesprochen wurden, dabei allerdings mit sehr viel mehr Aufwand an Eleganz und Stil (sofern in dieser Thematik möglich).
Gut geschrieben ist der Roman dabei allemal. Aber worum geht´s eigentlich...?
Da gibt es eine Stiefmutter, den Hausherrn und den Sohn des Hausherrn. Und der Sohn, ein wenig frühreif, verliebt sich auf eigenartige Weise in die Stiefmutter. Dumm von ihr, dass sie die Kontrolle verliert...
Vargas Llosa verknüpft diese Rahmenhandlung mit eingeflochtenen Passagen aus antiken Sagen, der römischen Mythologie und anderen Ausschweifungen, die eigentlich nicht so recht in die latinische Großstadtatmosphäre Limas passen wollen.

Fazit: Nett, aber nicht umwerfend, auch wenn es einen interessanten Wendepunkt in der Story gibt.

Mario Vargas Llosa: Lob der Stiefmutter (orig.: Elogio de la madrastra). Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993.

Donnerstag, 16. Dezember 2010

Mark Terkessidis: Interkultur

Während allerorten die bisher heimlichen Sarrazins aufstehen und sich zu ihren rechtspopulistischen Ideologien bekennen, mag schon einmal so mancher denkende Mensch kräftig ins Schwitzen kommen ob des geistigen Zustands dieser Nation. Ein Hoffnungsschimmer, was da Terkessidis in die Welt setzt. Abseits jeder idealisierten Multikulti-Idylle sendet er einen Appell für die Zukunft: Schluss mit der Rückwärtsgewandtheit! Verabschiedet euch von einem deutschen Ideal, das nicht existiert! Auch wenn die Politik noch so oft vom Scheitern der Integration faselt, rückgängig machen kann sie sie nicht. Also kann es nur eine Zukunft geben: Das Jetzt und Hier (an-)erkennen und Lösungen für die Menschen entwickeln - nicht gegen sie. Und mit Menschen sind alle die gemeint, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, unabhängig von Nationalität, Religion, Kultur.
Terkessidis` Plädoyer für eine neue, gelebte Interkultur lässt den Leser die Ein- und Zuwanderungsgeschichte der BRD aus einer neuen Perspektive erblicken, fern von Vorurteilen und Rassismen, wie sie in den Köpfen der "Ur-Bevölkerung" dieses Landes wohl scheinbar, trotz der unwürdigen nationalen Vergangenheit, noch immer herumspuken.

Fazit: Sehr empfehlenswert, nicht nur für junge Sarrazins!


Mark Terkessidis: Interkultur. Berlin: Suhrkamp 2010.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Michael Jentzsch / Benjamin Kwato Zahn: Blutsbrüder - Unsere Freundschaft in Liberia

Die Geschichte eines weißen Jungen und dessen bestem Freund, dem schwarzen Liberianer Ben. Klingt kitschig? - Ist es nicht!
Nachdem beide Autoren durch die Folgen des Bürgerkriegs keinen Kontakt mehr zueinander hatten, fanden sie sich nach dessen Ende - und nach 18 Jahren - endlich wieder. Der Eine mit einer abgesicherten Zukunft in Deutschland, der Andere mit nicht mehr als dem Glück, mit Frau und Kind den Krieg überlebt zu haben. Beide erzählen hier aus wechselnder Perspektive die Geschichte ihrer Freundschaft und die Erlebnisse während des Krieges.

Fazit: Schon ein wenig rührselig. Aber ehrlich und aufschlussreich!

Michael Jentzsch; Benjamin K. Zahn: Blutsbrüder. Unsere Freundschaft in Liberia. Köln: Bastei Lübbe 2009.

Montag, 22. November 2010

John Grisham: Die Jury

Ein schwarzes, zehnjähriges Mädchen wird im Staat Mississippi von zwei betrunkenen Rednecks vergewaltigt und brutal misshandelt. Der Vater, Carl Lee Hailey, erschießt die Täter im Gerichtsgebäude und stellt sich danach der Polizei. Der Anwalt Jake Brigance wird ihn nun verteidigen. Wird Hailey zum Tod in der Gaskammer verurteilt, oder wird die Jury ihn freisprechen? Ein Problem in den Südstaaten, denn Hailey ist schwarz, die meisten Geschworenen weiß. Und dann mischt sich auch noch der Ku-Klux-Klan ein.
Der Autor konzentriert sich bei der Darstellung auf die juristischen Aspekte des Falls. Im Endeffekt kommt die Auflösung dann aber recht konstruiert und vorhersagbar daher. Auch wirft die Story ein Schlaglicht auf das sehr beliebig erscheinende amerikanische Rechtssystem: Eine Reihe von Laien entscheidet nach Gefühl über Todesurteil oder Freispruch. Da war man im Mittelalter mit den sogenannten Gottesurteilen schon fortschrittlicher.

Fazit: Grisham hat deutlich Besseres geschrieben. Das Buch ist insgesamt nicht schlecht, aber stellenweise recht zäh.

John Grisham: Die Jury (orig. A Time to Kill). Aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst. München: Heyne 1992.

Freitag, 19. November 2010

F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby

Die goldenen Zwanziger in den Vororten New Yorks. Auf den berüchtigten Gartenpartys eines gewissen Gatsby trifft sich der New Yorker Jet-Set. Doch keiner weiß so recht, wer der Gastgeber wirklich ist. Es kursieren die abwegigsten Gerüchte. Die Dinge ändern sich, als sich herausstellt, dass Gatsby im Schilde führt, seine große Liebe zu erobern - die jedoch inzwischen verheiratet ist.

Fazit: Welchem Umstand dieses Buch seinen übermäßigen Erfolg verdankt, weiß ich nicht. Es bietet aber einen Einblick in das Leben der Upperclass am Rande der Megacity zu jener Zeit. Gut zu lesen ist es allemal.

F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby (orig. The Great Gatsby). Aus dem Amerikanischen von Walter Schürenberg. Zürich: Diogenes 1974.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Amoz Oz: Black Box

Wow. Was für ein Stil. Gut, dafür wird wahrscheinlich auch die Übersetzerin Ruth Achlama mitverantwortlich sein. Trotzdem kann ich beim Lesen nur mit den Ohren schlackern: Was für eine Sprache!
Zum Inhalt: Das Buch ist ein Briefroman. Klingt langweilig? Dachte ich auch. Es ist, wie sich alsbald herausstellte, alles andere als das. Ein jüdischer Professor in New York schreibt mit seiner sklavisch ergebenen und trotzdem Vorwurf um Vorwurf und Beleidigung an Beleidigung reihende Exfrau in Israel. Dabei kommen auch sein Rechtsanwalt, sein Sohn, der Probleme mit der Polizei und das Hippieleben für sich entdeckt hat, und der neue Ehemann seiner Exfrau zu Wort. Es enwickelt sich eine dichte Story, die tiefe Einblicke in die Gedanken der Personen und damit auch in die völlig verschiedenartige Sicht der Personen auf die Situation des Staates Israel und den Zionismus zulässt.

Fazit: Aufschlussreich und stilistisch ein Genuss.

Amos Oz: Black Box. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1989.

Samstag, 16. Oktober 2010

Stephen King: Shining

Ich habe geschwitzt beim lesen. Ich habe lange nicht mehr so geschwitzt beim lesen. Man, habe ich lange nicht mehr so geschwitzt beim lesen! Dabei war mir aber überhaupt nicht warm. Vielmehr war Schauerautobahn auf meinem Rücken angesagt.

Fazit: Bin ich zu empfindlich? Ich weiß nicht. Ich fands: Packend!

Stephen King: Shining (orig.: The Shining). Aus dem Englischen von Harro Christensen. Augsburg: Weltbild 2004.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Amélie Nothomb: Liebessabotage

Neben Mit Staunen und Zittern ein weiteres Buch von Nothomb, das ein Stück ihrer Autobiographie beinhaltet. Hier verarbeitet die Autorin ihre Kindheit im Pekinger Diplomatenghetto. Die Ausgangssituation:
"Man nehme eine Horder Kinder jeglicher Nationalität und sperre sie zusammen in einen engen, betonummauerten Bereich. Dort lasse man sie frei und ohne Aufsicht. Wer meint, die Gören würden da nun mit ausgestreckter Freundeshand aufeinander zugehen, ist ein bißchen naiv."
Das verspricht der Klappentext. Und tatsächlich: Die Kinder machen es nicht anders, als die Erwachsenen. Im Ghetto tobt schon bald die schlimmste Schlacht unter Kindern, die man sich nur denken kann. Eigentlich gibt es keine Widerwärtigkeit, die die Kleinen auslassen. Ein Wunder, dass kein Kind stirbt...
Dies alles bekommt eine frühreife romantische Note, als sich die Erzählerin in ihren jungen Jahren in ein anderes Mädchen aus dem Ghetto verliebt. Sie setzt nun alles daran, ihre Angebetete zu erobern und schreckt dabei auch nicht vor etwas, nun ja, unkonventionellen Methoden zurück.
Dieses Buch hält alles, was man von der Autorin erwartet: Nothomb schreibt wieder einmal unglaublich wortgewandt, sie ist zynisch, verteilt ironische Spitzen zu Hauf... -

kurz und damit Fazit: Das Buch kann man nur verschlingen!

Amélie Nothomb: Liebessabotage (orig.: Le sabotage amoureux). Aus dem Französischen von Wolfgang Krege. Zürich: Diogenes 1996.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Amélie Nothomb: Die Reinheit des Mörders

Da schreibt die junge (damals gerade so alt, wie ich jetzt) Studentin der Romanistik gleich mit ihrem ersten Roman den allergrößten Knaller (meine Meinung)!
Ein Literaturnobelpreisträger, wir dürfen ihn gern mit "alter, widerlicher Sack" beschreiben, ist todkrank, wie ihm seine Ärzte mitgeteilt haben. Es sammeln sich die Journalisten für ein letztes Interview. Einer wie der andere jedoch verlässt die Höhle des sich nun nicht nur als Genie, sondern vor allem als Ungeheuer, entpuppenden Literaten mit einem Schock, der für eine lebenslange Psychotherapie ausreichen dürfte. Prétextat Tach (so nämlich heißt der gute Mann) schafft sie alle. Alle? Naja, warten wir´s ab!

Fazit: Der Roman trieft von schwarzem Humor, bitterem Zynismus und so vielen subtilen Spitzen, wie ich sie sonst bisher nirgendwo entdecken konnte. Reinziehen!

Amélie Nothomb: Die Reinheit des Mörders (orig.: Hygiène de l'assasin). Aus dem Französischen von Wolfgang Krege. Zürich: Diogenes 1993.